24.06.2020 — Tobias Weilandt. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Dieses Unbehagen gegenüber Online-Medien tritt verstärkt auf, wenn zudem konstatiert wird, dass wir zunehmend in einen Strudel neuer Medien geraten und wir mehr und mehr von diesen abhängig sind. Nur wer allerdings sein Smartphone wegwirft, seine Social-Media-Konten löscht und nicht mehr im WWW surft, kann diesem Unbehagen entkommen. Aber wer will das schon? Wichtig sind eben auch, die Chancen der neuen Medien zu sehen und diese für sich zu nutzen!
Warum glauben nun aber viele Menschen, facebook-Freunde, also vermeintlich virtuelle Freunde, seien keine echten? Nehmen wir einmal an, eine Person verfügt über 700 facebook-Freundschaften. Eine häufige Reaktion, wenn eine solche Hausnummer genannt wird, lautet: “Na, so viele Freunde kann man doch gar nicht haben!” - und das stimmt!
Der Psychologe Robin Dunbar definierte die nach ihm benannte “Dunbar-Zahl”. Diese besagt, laut verschiedener empirischer Untersuchungen, dass wir nicht mehr als etwa 150 Freundschaften pflegen können, ohne erhebliche Ressourcen einzubüßen, die unser eigenes Wohlempfinden gefährden. Dieses Ergebnis ergaben nicht nur geführte Interviews und daraus resultierende Erfahrungsberichte, sondern auch Beobachtungen in der Tierwelt.
Schimpansen und andere Menschenaffen lausen sich regelmäßig, um soziale Bindungen zu verstärken. Hat ein Affe einen Artgenossen kürzlich gelaust, wird dieser ihm mit großer Wahrscheinlichkeit bei einer Auseinandersetzung eher helfen als sein ungelauster Nachbar. Zwar lausen wir unsere besten Freund*innen nicht unter einem Sonnenschirm in einem Cafe, wohl aber kümmern wir uns anderweitig um diese Menschen.
Stellen Sie sich vor, Sie besäßen 250 Freunde und müssten alle mindestens drei Mal im Jahr besuchen, um die Freundschaft aufrechtzuerhalten. Wie viele Liter Kaffee und Bier, wie viele Kuchenstücken und Salate, Grillwürste und Eiscremes und wie viele Stunden wären das wohl? Es wäre kaum noch Zeit, einer geregelten Arbeit oder anderen Aktivitäten und Verpflichtungen nachzukommen.
Das hat sich allerdings in Zeiten von Social Media akut verändert. Ein Urlaubs-Post von uns erreicht eben die 700 facebook-Freunde und Insta-Follower. Wir berichten aus unserem Leben und reagieren durch Likes, Smileys und Kommentare auf die Berichte der anderen. Und mal ehrlich: Diese Plattformen helfen doch erheblich dabei, keinen Geburtstag zu versäumen. Wir können dank Social Media, E-Mails und SMS weit mehr als 150 Personen lausen – und zwar digital! Der soziale Umgang und das Umeinander-Kümmern mag dadurch oberflächlicher geworden sein, hat aber enorm durch TikTok, Instagram usw. an Reichweite und Effizienz zugenommen.
Bleibt noch dieses Unbehagen der Irrealität gegenüber virtuellen Medien: Was macht etwas eigentlich real? Der Philosoph John Searl gibt hier eine klare Antwort. Real ist das, auf das wir uns einigen. Der Verlag Dashöfer ist ein Unternehmen, dessen Hauptstandort in der Barmbeker Straße 4a in Hamburg liegt. Hier arbeiten rund 50 Personen. Nichts davon ist allerdings essentiell oder macht den Verlag Dashöfer zu diesem Unternehmen. Selbst, wenn er umziehen würde, 5 statt 50 Mitarbeiter*innen alles für Ihre Bildung täten, ändert das nichts daran, dass der Verlag ein Unternehmen ist. All die genannten Merkmale sind keine essentiellen, sondern nur akzidentelle Merkmale. Die Wirklichkeit des Verlages beruht auf einer Einigung in Form eines Eintrages im Handelsregister. Fragen Sie sich auch gern einmal, was den Wert eines 500 Euro-Scheines ausmacht - das Material des Scheines kann es ja eben nicht sein.
Mit der Einigung, es gibt den Verlag Dashöfer, ein 500 Euro-Schein hat einen Wert von 500 Euro als Zahlungsmittel und Sie treffen sich mit Ihren Kolleg*innen regelmäßig 12:30 Uhr zur Mittagspause, wird unsere (soziale) Wirklichkeit geformt. Real ist, was wir per Konvention als wahr deklarieren. Und dabei ist das Medium ganz gleich. Ein Skype-Meeting mit Ihrer Vorgesetzten, in der sie Ihnen neue Aufgaben aufträgt, ist genauso bindend, als hätten Sie sich in einem Offline-Meeting im Büro darüber verständigt. Eine nicht eingehaltene Verabredung zu einem Kinobesuch via WhatsApp wird genauso von Ihrer Freundin oder Ihrem Freund durch schlechte Laune oder Enttäuschung sanktioniert, wie wenn Sie sich bei einem Chia-Papaya-Salat darüber geeinigt hätten. Mit der Terminabsprache bringen Sie etwas in die Welt: Eben eine Konvention (Verabredung), dass Sie und Ihr/e Freund*in sich am kommenden Freitag um 19:30 Uhr vor dem Kino treffen.
Virtuelle Medien haben demnach also einen ebenso verbindlichen Gehalt wie Offline-Absprachen mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Viele facebook-Freunde mögen vielleicht eher Bekanntschaften oder eben keine engen Freunde sein, bestimmte Verpflichtungen haben Sie diesen gegenüber aber dennoch, wenn Sie sie in Ihrem Netzwerk behalten möchten. Es liegt aber selbstverständlich an Ihnen, wie und wie oft Sie jemanden digital lausen möchten. Denken Sie aber gern einmal beim nächsten Post daran, wie nah ein Urlaubsfoto doch den sozialen Belangen der Tierwelt ist...
Bild: Pixelkult (Pixabay, Pixabay License)