26.02.2020 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Künstliche Intelligenz ist eines Buzzwords unserer Zeit. Kaum ein Bereich bleibt davon unberührt. So verspricht man sich in der Medizin, im Marketing, in der Industrie oder auch in der Juristik vieles von neuen KI-Technologien, um die Arbeit dort effizienter zu gestalten.
Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen
Und auch in der Kunst wurde das Thema schon oft als Gegenstand behandelt. So steht KI im Zentrum etlicher Bücher, Filme oder Videospiele. Genannt seien hier der Roman „Die Tyrannei des Schmetterlings“ von Autor Frank Schätzing, der Spielfilm „Ex Machina“ von Regisseur Alex Garland oder auch das Action-Adventure-Game „Detroit: Become Human“ des französischen Entwicklerstudios Quantic Dream.
Eine neuere Entwicklung verkehrt jedoch das Verhältnis zwischen Kunst und KI ins Gegenteil. Denn hier ist es die Künstliche Intelligenz selbst, die beginnt, Kunst zu schaffen. Wie kann das funktionieren? Welche Werke wurden bereits so zustande gebracht? Und sind diese Erzeugnisse tatsächlich auch als Kunst zu verstehen?
Der technologische Fortschritt ist inzwischen schon längst an dem Punkt angekommen, dass die Künstliche Intelligenz in der Lage ist, Musik zu komponieren, Texte zu schreiben oder Bilder zu malen. Anzunehmen, dass es sich dabei um unzusammenhängende Textfragmente, Pixelblöcke oder 16-Bit-Songs handelt, die an alte Nintendo-Videospiele erinnern, wäre naiv.
So gibt es mittlerweile viele Künstler*innen, die bereits Werke in Zusammenarbeit mit KI-Programmen geschaffen haben. Auf diesem Wege brachte der technologische Fortschritt auch ein eigenes Kunstgenre mit sich. Diese Entwicklung geht sogar so weit, dass es bereits einen Wettbewerb gibt, in dem der beste Song gekürt wird, der mithilfe einer KI geschrieben wurde.
Beim „Beats & Bits“ KI-Musikwettbewerb ging der erste Platz im vergangenen Jahr an den Berliner Musikstudenten Hans-Christian Ziupa. Er selbst würde sich weniger als Computer-Nerd bezeichnen und eher als klassischen Musiker und Produzenten, der es gewohnt ist, mit anderen und vor allem menschlichen Musiker*innen Kunst zu schaffen.
Die Erfahrung aber, es einmal mit einem Programm zu versuchen, reizte ihn so sehr, dass er sich bei dem Wettbewerb anmeldete und ein Stück schrieb, dessen Basis ein Jazz-Fragment war, das er mithilfe zweier KI-Programme bearbeitete. Dieser Song brachte ihm schließlich den ersten Platz ein. Wie das klingt, hören Sie hier!
Doch ist die Musik eben nicht die einzige Kunstform, die von der KI erobert wird. 2018 kam im altehrwürdigen Auktionshaus Christie’s in London ein Gemälde unter den Hammer, das für 398.000 € über den Tisch ging. Dabei handelte es sich jedoch keineswegs um einen Dachbodenfund, der auf einen Künstler wie Rembrandt oder Monet zurückzuführen wäre. Nein, der Künstler, der dieses Bild malte, heißt Edmund Belamy. Noch nie gehört? Kein Wunder, es hat ihn auch nie gegeben.
Vielmehr ist der Name ein Pseudonym für ein Netzwerk, das eine Künstlergruppe auf 15.000 Bilder zugreifen ließ und aufgrund dieser Daten selbst ein Bild malen ließ. Und tatsächlich, hinge es in einem Museum, würde es vermutlich keinem Laien auffallen, dass es kein Werk eine*r großen Künstler*in ist.
Eine hochspannende, aber mindestens ebenso schwer zu beantwortende Frage ist jedoch die, ob es sich dabei tatsächlich um Kunst handelt. Reicht es also, dass die von der KI geschaffenen Lieder so klingen und die Bilder so aussehen, als wären sie von Künstler*innen gemacht worden, damit sie als Kunst bezeichnet werden können? Oder ist die Grundvoraussetzung für ein Werk, um auch als Kunstwerk zu gelten, dass es menschengemacht ist?
Das Grundproblem dieser Frage ist so alt wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kunst selbst: Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs. Besonders populär ist doch das Unverständnis, das viele gegenüber moderner Kunst verspüren. Farbspritzer auf überdimensionierten Leinwänden, Fett auf Stühlen und der stets vorhandene Begleitgedanke: „Und das soll jetzt Kunst sein? Das hätte ich auch noch hinbekommen.“ Nicht umsonst ist die ebenso naive wie treffende Frage der Putzfrau von Josef Beuys Teil des kollektiven Kulturgedächtnisses: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
Dennoch macht man es sich mit der Aussage, dass Kunst nun mal im Auge des Betrachters liegt, vermutlich etwas zu einfach. So ist das neue Genre aber noch so jung, dass anzunehmen ist, dass es für die Kunst- und Kulturwissenschaft noch ausreichend Gelegenheit geben wird, sich mit diesem komplexen Thema zu befassen.
Vermutlich ist die Frage nach der emotionalen Wahrnehmung fernab jeglicher wissenschaftlicher Betrachtung ohnehin die entscheidendere. So wird Kunst ja in der Regel nicht betrieben, um Gegenstand von Fachdisziplinen zu werden oder um Jurys von ihr zu überzeugen. Vielmehr geht es doch darum, dass Künstler*innen ein Medium bearbeiten, in dem sie sich selbst ausdrücken.
In diesem Werk haben dann die Rezipient*innen die Möglichkeit, die Auseinandersetzung der Künstler*innen mit diesem oder jenem Thema zu erkennen, zu interpretieren und auf sich zu übertragen. Ob dieser Prozess gelingt oder nicht, ist unerheblich. Denn Kunst kann auch ebenso gut reiner Selbstzweck sein: Sie wurde also nicht geschaffen, um zu gefallen, sondern nur um ihrer selbst willen.
Solange wir also in einem KI-Kunstwerk noch nicht erkennen können, dass hier ein Künstler eine große Liebe verlieren musste, um diesen Song zu schreiben oder eine Künstlerin erst um die Welt reisen musste, um jenes Bild zu malen, wird die KI wohl erst einmal bloß ein spannendes Hilfsmittel bleiben.
Quellen und Hintergründe:
Bild: geralt (Pixabay, Pixabay License)