Lernen lernen – Theorien und Alltag Teil 7

28.10.2020  — Jasmin Dahler.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ein Leben lang lernen. Das wird in der Arbeitswelt von einem erwartet, doch wie lernen wir überhaupt? Eine Frage, die sich schon viele Psychologen und Psychologinnen gestellt haben. Erfahren Sie etwas über verschiedene Theorien und Möglichkeiten, um sich selber das Lernen zu vereinfachen. Heute geht es um Motivation, Emotionen und Stress.

In den vergangenen Monaten haben wir einen Blick auf unser Gehirn geworfen und dessen Prozesse vereinfacht an Experimenten von bekannten Psychologen und Psychologinnen nachvollzogen. Doch wie schön wäre es, wenn unser Gehirn einfach wie eine Maschine rattern und jede einzelne Information verarbeiten würde? Jedoch wissen wir, dass dem nicht so ist. Denn ob wir uns etwas merken können oder nicht, hängt mit noch so viel mehr zusammen als bisher angerissen.

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Motivation

Zum Beispiel hat Lernen etwas damit zu tun, ob wir motiviert sind oder nicht. Sigmund Freud nahm noch an, dass Menschen Triebzustände erfahren, die aus sogenannten Lebensinstinkten und Todesinstinkten entstehen. Dieser Drang lieferte in seiner Theorie psychische Energie zur Befriedigung körperlicher Bedürfnisse. Kann diese Energie jedoch nicht abgebaut werden, sucht der Mensch nach Objekten oder Handlungen, die ihm dies ermöglichen. Bis zum Jahr 1920 hatten Psychologen*innen eine Liste mit über 10.000 Instinkten zusammengestellt, die den Mensch antreiben. Wie Sie sich jedoch noch aus den ersten Teilen erinnern werden, wurde die Vorstellung des Handelns, das rein auf dem Instinkt beruht, von vielen Wissenschaftler*innen kritisiert.

Wenn wir auf die Reihe zurückblicken, haben wir gesehen, dass wichtige Verhaltensweisen eher erlernt als angeboren sind. Dass wir als absichtlich etwas Neues lernen, um unser Leben einfacher zu gestalten. Sicher kennen Sie das Phänomen, dass wenn jemand eine Rätselfrage stellt, Sie automatisch darüber nachdenken. Es ist ein angeborenes Bedürfnis des Menschen, Unklarheiten zu beseitigen und Probleme zu lösen. Besonders gut können Sie dies an kleinen Kindern beobachten, sie die Welt noch mit ganz anderen Augen erkunden. Im Grunde wollen wir lernen und eine Lernmotivation ist immer irgendwo vorhanden. Doch nun kommt ein Problem: die Schule. Kindern wird Wissen auf einem silbernen Tablett präsentiert, nachdem sie gar nicht verlangt haben und werden langsam aber sicher damit überfüttert, bis ein Abstumpfungsprozess einsetzt. Die Lehrpläne und nicht mehr das individuelle Interesse geben strikt vor, was gelernt wird.

Schüler*innen und auch Student*innen fangen früher oder später an, den Sinn zu hinterfragen, sich zu langweilen und rutschen in ein Motivationsloch. Lediglich die Angst vor dem Versagen führt dann bei vielen zu einem Lerneifer, der wiederum zu Prüfungsangst führt und das Lernen zu etwas Unangenehmen macht.

Doch wie können Sie nun Ihre Vorerfahrung von Schule und Studium abschütteln? Ihre Motivation wieder ankurbeln? Machen Sie sich klar, warum Sie etwas lernen wollen. Bringt es Sie in Ihrem Job weiter? Könnte eine neue Sprache die Kommunikation mit einem fernen Verwandten oder Freund*in verbessern? Finden Sie Ihren Motivator, der darüber hinausgeht, dass Sie etwas beherrschen wollen. Wenn Sie etwas lernen, nur um es einfach zu können, wird der Lernprozess lange dauern und aus viel Druck bestehen.

Emotionen

Emotionen haben eine motivationale Funktion, indem sie uns anregen, in Bezug auf ein erlebtes Ereignis zu handeln. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie kaufen sich ein Brötchen beim Bäcker und fragen explizit nach, ob es vegetarisch ist. Der Verkäufer bejaht dies und so bezahlen Sie zufrieden. Noch auf dem Weg zurück ins Büro stellen Sie jedoch fest, dass auf dem Brötchen Fleisch ist. Sie gehen zurück und fordern Ihr Geld zurück. Warum? Natürlich weil Sie verärgert sind. Ihr Ärger über den (unabsichtlichen) Schwindel hat Sie dazu veranlasst zurückzugehen.

Emotionen haben auch einen Einfluss auf unser Erinnerungsvermögen. In einem Experiment wurden Probanden verschiedene Fotografien gezeigt. Einige Motive waren neutral (z. B. ein Barometer), andere sollten negative Emotionen wecken (z. B. ein Brand). Die Fotos wurden den Probanden entweder 250 Millisekunden oder 500 Millisekunden gezeigt. Dabei beurteilten die Teilnehmer*innen, ob die Fotos in einen zuvor gezeigten Schuhkarton passen würden. Zwei Tage später wurden die Probanden nochmal ins Labor geholt und einem nicht angekündigten Gedächtnistest unterzogen. Sie sollten eine weitere Reihe Fotos betrachten und sagen, ob das Bild neu, ähnlich oder identisch mit den gezeigten Fotos vom letzten Mal war. Hatten die Probanden die Fotos 500 Millisekunden gesehen oder waren sie bei einem Bild emotional aufgeladen, konnten siebesser beurteilen, ob es sich um ein ähnliches oder identisches Foto handelte. Die hervorgerufenen Emotionen halfen den Teilnehmer*innen dabei, die Aufmerksamkeit auf visuelle Einzelheiten zu lenken.

Indem Emotionen beeinflussen, worauf wir achten, wie wir Situationen interpretieren und wie wir uns und andere wahrnehmen, beeinflussen sie auch unser Lernen, Erinnern und sogar unsere Kreativität.

Gordon Bower (1981) entwarf zusammen mit seinen Studierenden ein Modell. Dieses nimmt an, dass eine Emotion, die eine Person in einer bestimmten Situation erfährt, zusammen mit den begleitenden Ereignissen als Teil des gleichen Kontexts im Gedächtnis gespeichert wird. Das wiederum führt zu stimmungskongruenter Verarbeitung und Erinnern.

Wenn ein Mensch durch seine gegenwärtige Stimmung für eine Information gerade besonders sensibel ist, wird diese Information mit großer Wahrscheinlich stärker und tiefer verarbeitet. Und beim stimmungsabhängigen Erinnern fällt es Personen besonders leicht, Informationen abzurufen, wenn ihre Stimmung beim Abruf mit der beim erstmaligen Einspeichern dieser Information übereinstimmt.

Außerdem wurde festgestellt, dass es uns leichter fällt, kreative Prozesse zu bewältigen und Probleme zu lösen, wenn wir positiv gestimmt sind.

Stress

Unsere moderne Gesellschaft fordert ein schnelles, ja sogar hektisches Leben. Da ist es kaum verwunderlich, dass viele Menschen Stress als einen stätigen Begleiter wahrnehmen. Stress ist ein Reaktionsmuster eines Organismus auf Ereignisse, die dessen Gleichgewicht stören und dessen Fähigkeit, die Einflüsse zu bewältigen, stark beanspruchen oder sogar übersteigen. Diese Ereignisse, auch Stressor genannt, fordern eine Art Anpassung von uns. Ob Sie nun bremsen müssen, weil Ihnen jemand Vorfahrt nimmt oder der Abgabetermin für ein Projekt vorverlegt wird. Beides löst Stress aus. Dieser Stress kann nun einen schlechten oder positiven Einfluss haben. In der Wissenschaft wird gesunder Stress als «Eustress» und negativer Stress als «Distress» bezeichnet.

Eustress kann unser Lernpotenzial kurzfristig steigern, während Distress unsere Gehirnleistung reduziert und auch noch unser Immunsystem belastet. Der Neurobiologe Ron de Kloet konnte sogar nachweisen, dass negativer Stress über einen längeren Zeitraum zum Absterben von Nervenzellen im Hippocampus führen kann.

Erledigen wir hingegen eine Aufgabe unter Zeitdruck mit Begeisterung und Tatendrang, tut dieser positive Stress dem Wohlbefinden und dem Endergebnis gut. Oder wenn Sie zum Beispiel vor dem Abschluss eines Projekts stehen und genau wissen, wie viel Arbeit und Mühe Sie in der vergangenen Zeit in den Abschluss des Projekts gesteckt haben, schüttet Ihr Körper positive Stresshormone aus.

Stress kann also eine positive Wirkung auf Ihre Arbeit und auch auf Ihr Lernen haben. Es muss nur positiver Stress sein. Leichter gesagt als getan, aber dennoch möglich. Begeben wir uns in Ihre Lernsituation. Stellen Sie sich vor, Sie versuchen zum Beispiel eine neue Sprache zu lernen. Draußen wird gerade die Straße neu gemacht und ständig ruft ein Bekannter an, weil er private Sorgen hat. Durch den Lärm und die Sorge befinden Sie sich in einem ständigen Daueralarm. Die Konzentration schwindet und so hört sich die Sprache nur noch nach „Bla-Bla“ an.

Auch wenn Sie sich später hinsetzen, um zu lernen, wird Ihr Körper noch mit dem negativen Stress zu kämpfen haben. Hier helfen Entspannungsübungen, um den Kopf freizubekommen. Sicher auch diese müssen erst Mal trainiert werden, aber sie sind es durchaus wert. Eine andere Möglichkeit ist, es beim Lernen zu lächeln. Was sich zunächst albern anhört, kann dabei helfen, Ihr Gehirn ein wenig austricksen. Lächeln und bewusst atmen und schon fangen Sie an, den Stress umzukehren.

Sport kann unseren negativen Stress ebenfalls in positiven umwandeln und vor sowie nach dem Lernen förderlich wirken. Und natürlich sind Pausen enorm wichtig. Sie können nicht dauerhaft jeden Tag acht Stunden arbeiten und dann auch noch abends und am Wochenende lernen. Gönnen Sie sich Ihre Erholung.

Übrigens: Motivation, Emotionen und Stress beeinflussen sich gegenseitig. Währen Stress und die damit verbundene Angst und der Leistungsdruck die Motivation negativ beeinflussen kann, was wiederum zu negativen Gefühlen führt, können positive Emotionen den Stress in etwas Positives umwandeln und damit wiederum die Motivation steigern.


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Bild: Pixabay (Pexels, Pexels Lizenz)

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