27.03.2025 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V..
Darauf verweist der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel, Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf das BAG-Urteil v. 12.2.2025, 5 AZR 127/24.
Im zugrunde liegenden Fall war ein Senior Consultant von seinem Arbeitgeber gekündigt worden und für die verbleibende Zeit der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt. Der Arbeitgeber hatte ihm während der Freistellungsphase insgesamt 43 Stellenangebote aus verschiedenen Internetportalen geschickt und den Mitarbeiter gedrängt, sich zu bewerben. Der Mitarbeiter reagierte mit sieben Bewerbungen – allerdings erst kurz vor Ende der Kündigungsfrist.
Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Zahlung des letzten Monatsgehalts in Höhe von 6.440 EUR brutto. Der Consultant sah sich gezwungen, gegen die Kündigung und die Gehaltsverweigerung zu klagen. In mehreren Instanzen hatte er Erfolg und erlangte schließlich auch vor dem BAG Recht.
Das BAG stützte sich auf § 615 BGB, wonach ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf sein Gehalt hat, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annimmt – wie es im Fall einer Freistellung geschieht. Das Gericht stellte klar, dass ein Arbeitgeber nach der einseitigen Freistellung des Arbeitnehmers im Annahmeverzug ist, d.h. der Arbeitnehmer ist bereit, zu arbeiten, aber der Arbeitgeber nimmt diese Arbeitsleistung nicht an. In einem solchen Fall bleibt der Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers bestehen.
Besonders wichtig: Das BAG entschied, dass der Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht verpflichtet ist, sich um eine neue Anstellung zu bemühen, um seinen Gehaltsanspruch zu wahren. Der Arbeitgeber kann demnach nicht einfach die Gehaltszahlung verweigern, weil der Mitarbeiter sich nicht vorzeitig auf Stellenangebote beworben hat.
Eine der zentralen Fragen war, ob das Unterlassen der Bewerbung als „böswillige“ Handlung im Sinne des § 615 BGB gewertet werden könnte. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, der Arbeitnehmer habe böswillig keine ernsthaften Bemühungen unternommen, um sich um eine neue Stelle zu kümmern. Das BAG stellte jedoch klar, dass das Verhalten des Arbeitnehmers keine böswillige Unterlassung darstellt, da es keine gesetzliche Pflicht gibt, sich vor Ablauf der Kündigungsfrist um eine neue Anstellung zu bemühen.
Das Gericht stellte zudem fest, dass der Arbeitgeber auch keine Unzumutbarkeit geltend gemacht hatte. Eine solche Unzumutbarkeit könnte die Entgeltpflicht des Arbeitgebers theoretisch entfallen lassen, aber im vorliegenden Fall war dies nicht der Fall.
Das Urteil des BAG bringt einige wichtige Klarstellungen mit sich:
Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil des BAG eine deutliche Stärkung ihrer Rechte. Arbeitnehmer haben während einer Freistellung weiterhin Anspruch auf ihr Gehalt, auch wenn sie keine neuen Jobangebote annehmen. Arbeitgeber können die Gehaltszahlung nicht einfach einstellen, nur weil der Mitarbeiter sich nicht vorzeitig um eine neue Stelle bemüht. Das Urteil schafft mehr Klarheit und gibt den Arbeitnehmern die nötige Sicherheit, dass ihre Entgeltansprüche auch während der Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist gewahrt bleiben.
Arbeitgeber sollten in Zukunft genau darauf achten, wie sie ihre Mitarbeiter freistellen und welche Erwartungen sie an deren Bewerbungshandlungen stellen. Das Urteil zeigt, dass die rechtlichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses im Falle einer Kündigung und Freistellung eindeutig zugunsten der Arbeitnehmer ausfallen können.
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